Paul Volkmann, als Gewerkschaftssekretär Opfer zweier Diktaturen

von Norbert Sahrhage


Paul Volkmann, am 11. Januar 1894 in Rybnitz/Oberschlesien geboren, war im Jahre 1923 aus Berlin als Sekretär der Gewerkschaft Nahrung und Genuss nach Herford gekommen. Seine Frau Hedwig, geb. Scholz, und die beiden Kinder Ilse (*1920) und Heinz (*1922), folgten ihm etwas später. Die Familie lebte in einer Mietwohnung Im kleinen Vorwerk 51. Als überzeugter Sozialist war Paul Volkmann aus der Kirche ausgetreten. Er arbeitete in verschiedenen sozialdemokratischen Organisationen mit; so war er u.a. Vorsitzender des Kartells der arbeitenden Jugend und bekleidete eine Führungsposition im Reichsbanner Schwarz-rot-gold, der maßgeblich von Sozialdemokraten getragenen Kampforganisation zur Verteidigung der Republik. Hedwig Volkmann gehörte dem SPD-Ortsvereinsvorstand an und engagierte sich bei den Kinderfreunden.

Die Büroräume der Gewerkschaft Nahrung und Genuss befanden sich im Volkshaus am Alten Markt. Nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" gerieten auch die Herforder Gewerkschaftssekretäre, die allesamt der SPD angehörten, unter starken politischen Druck. Dem weiterhin bestehenden Einfluss der Gewerkschaftssekretäre auf die Arbeiterschaft wurde von den Nationalsozialisten durch repressive Maßnahmen begegnet. Die Gewerkschaftssekretäre Hans Binöder (Textilarbeiterverband), Wilhelm Borchardt (Tabakarbeiterverband), August Niemeier (Dt. Holzarbeiterverband) und Paul Volkmann wurden am 20. bzw. 26. April festgenommen und in das Herforder Gefängnis gebracht. Während August Niemeier am 6. Mai aus der Schutzhaft entlassen worden war und Wilhelm Borchardt und Hans Binöder am 13. Mai 1933 freikamen, blieb Volkmann bis zum 16. Juni 1933 in Haft.

Die Entlassung aus der Schutzhaft erfolgte schließlich offenbar auf Grund einer Intervention von Hedwig Volkmann bei dem Herforder Bürgermeister Rudolf Kosiek. Hedwig Volkmann hatte dabei auf die sich während der Haftzeit verschlimmerten Herzbeschwerden ihres Mannes und auf dessen Teilnahme am Ersten Weltkrieg sowie auf die während des Krieges verliehenen Orden und Ehrenzeichen verwiesen. Bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis musste Paul Volkmann eine Verpflichtung unterschreiben, in der er zusicherte, sich „in Zukunft jeder staatsfeindlichen politischen Betätigung ... zu enthalten“ und Herford „zum Zwecke der Durchführung eines Heilverfahrens unverzüglich zu verlassen.“

Als Volkmann am 28. Juli sein ehemaliges Büro, das inzwischen von der NSBO übernommen worden war, aufsuchte, um hier die arbeitslosen Gewerkschaftsmitgliedern zustehende Verbandsunterstützung zu beantragen, behielt der Ortsgruppenleiter des Deutschen Arbeiterverbandes des Nahrungsmittelgewerbes Volkmanns Verbandsbuch ein. Als der frühere Gewerkschaftssekretär auf Rückgabe seines Verbandbuches bzw. auf die Ausstellung einer Quittung für das einbehaltene Buch bestand, kam es zwischen ihm und dem Ortsgruppenleiter zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Paul Volkmann wurde daraufhin am 3. August erneut inhaftiert und am 12. August in das Konzentrationslager Börgermoor gebracht, aus dem er erst am 3. Oktober 1933 entlassen wurde. Die Entlassung Volkmanns aus dem KZ war möglicherweise dadurch beschleunigt worden, dass Hedwig Volkmann gegenüber dem Herforder Bürgermeister Kosiek nachweisen konnte, dass Volkmann kurz vor seiner Inhaftierung Teilhaber einer sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Bäckerei geworden war. Hedwig Volkmann konnte Kosiek gegenüber offenbar glaubhaft darlegen, dass bei einer längeren Inhaftierung der Konkurs der Bäckerei eintreten und Arbeitsplätze verloren gehen würden. Da Volkmann nach seiner Entlassung in Herford unter strenger Aufsicht der Gestapo stand, die jeden seiner Schritte kontrollierte, versuchte er sich dieser Überwachung dadurch zu entziehen, dass er den Wohnsitz seiner Familie am 17. Oktober 1934 nach Bielefeld verlegte.

Von Bielefeld aus verzog die Familie Volkmann kurze Zeit später nach Berlin, wo sie die Zeit bis Kriegsende unbeschadet überstand. Als die amerikanische Besatzungsmacht nach Kriegsende in Berlin auch Sozialdemokraten für die Besetzung administrativer Schlüsselpositionen benötigte, wurde Paul Volkmann zum Direktor des Bezirksarbeitsamtes in Berlin-Neukölln ernannt. Volkmann konnte diese Tätigkeit aber nicht lange ausüben. Er geriet in das Visier der sowjetischen Besatzungsmacht, weil er sich in der sowjetischen Besatzungszone gegen die von der KPD und der Besatzungsmacht hier forciert betriebene Verschmelzung von KPD und SPD zur SED wandte. Als Volkmann am 8. Dezember 1945 in Neuruppin auf einer sozialdemokratischen Versammlung gegen die sowjetische Agrarpolitik und die Vereinigung von SPD und KPD sprach, wurde er verhaftet und wenige Monate später in einem Schauprozess zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in verschiedenen Haftanstalten, zuletzt in dem berüchtigten Zuchthaus Waldheim, in der Nähe von Chemnitz gelegen, verbüßen musste.

Paul Volkmann starb im Juli 1951 überraschend im Alter von 57 Jahren, nachdem er kurz zuvor von einem in Ostberlin lebenden Verwandten besucht worden war, der über einen relativ guten Gesundheitszustand des Inhaftierten berichtet hatte. Über die Umstände seines Todes erhielt seine Familie keine Informationen.

Quellen/Literatur:
Norbert Sahrhage, Opfer zweier Diktaturen. Zur Erinnerung an den Herforder Gewerkschaftssekretär Paul Volkmann (1894-1951), in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 12. 2004, S. 161-165.