Hilmar Ernst Rauschenbusch: Ein früher Erweckungsprediger in Bünde

von Norbert Sahrhage


Mit Hilmar Ernst Rauschenbusch, dem im Jahre 1771 im Alter von 26 Jahren die 2. Bünder Pfarrstelle übertragen wurde, hielt der Pietismus Einzug in Bünde. Rauschenbusch, am 27. Februar 1745 geboren, war ein charismatischer Prediger und früher Vertreter der antiaufklärerischen Erweckungsbewegung. Hilmar Ernst Rauschenbusch war Sohn eines Pfarrers in Meerbeck (Schaumburg-Lippe). Ursprünglich stammte die Familie Rauschenbusch von einem großen Bauernhofe bei Herford. Der junge Rauschenbusch hatte zunächst das Gymnasium in Bückeburg besucht, danach hatte er in Göttingen und Halle/Saale, wo er Kontakt zu pietistischen Kreisen bekam, Theologie studiert. Später heiratete Hilmar Ernst Rauschenbusch Wilhelmine Weihe, eine Tochter des Gohfelder Pfarrers Friedrich August Weihe, der über die Grenzen seines Pfarrbezirks als wortgewaltiger und einflussreicher pietistischer Prediger bekanntgeworden war. Das Ehepaar hatte mehrere Kinder. Einer der Söhne, August Ernst Rauschenbusch (1777-1840), wurde ebenfalls Pfarrer und machte sich einen Namen als Verfasser theologischer, pädagogischer, historischer und belletristischer Werke.

Hilmar Ernst Rauschenbusch wirkte von 1771 bis 1790 an der Bünder Laurentiuskirche (Foto: Museum Bünde)
Hilmar Ernst Rauschenbusch wirkte von 1771 bis 1790 an der Bünder Laurentiuskirche (Foto: Museum Bünde)

Nach dem Tode seines Amtskollegen Friedrich Wilhelm Men(t)ze im Jahre 1776 übernahm Rauschenbusch die 1. Pfarrstelle an der Laurentiuskirche, die mit einem großen Pfarrhaus, beträchtlichem Landbesitz und Dienstboten ausgestattet war. Rauschenbusch traf in Bünde auf eine Gemeinde, die er in seinen Erinnerungen als verstockt und wenigst lebendig bezeichnete. An anderer Stelle schrieb er: „Bei Krankenbesuchen hier in Bünde kam es mir vor, als wenn ich mit Menschen spräche, die noch nie eine Predigt des Evangeliums gehört hätten.“

Rauschenbusch stellte die Autorität der Bibel, den Primat der Religion gegenüber der weltlichen Moral sowie die persönliche Glaubenserfahrung der Gemeindemitglieder in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Es ging ihm um die Hinwendung zu einem frommen, bußfertigen Leben, in dem für Vergnügungen kein Platz war. Deshalb wandte er sich vehement gegen Musik, Tanz und Spiel bei Hochzeiten und Taufen; der regelmäßig in Bünde abgehaltene Markt verursachte ihm Unbehagen. Rauschenbusch schaffte in Bünde den sonntäglichen Verkauf ab, damit sich die Menschen an diesem Tag auf die Religionsausübung konzentrieren konnten, und führte sogar Exorzismen durch. Er stellte die Frage nach der Heilsgewissheit neu und betonte immer wieder, dass der Weg zur Seligkeit nur über Buße erreichbar sei. Durch seine mit Teufelsbildern und Höllenvisionen gespickten Predigten schürte er die Furcht unter den Gemeindemitgliedern und versuchte so in seiner Gemeinde dem von ihm empfundenen sittlich-religiösen Zerfall entgegenzuwirken. Gerade Krankenbesuche, die er – was damals unüblich war – ohne Bezahlung vornahm, und Leichenpredigten boten ihm eine willkommene Gelegenheit zum Verweis auf das unabwendbare Jüngste Gericht. In seinen Erinnerungen schrieb Rauschenbusch: „Besuche in der Gemeinde haben mich wieder gelehrt, daß verschuldete Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegen die erkannte Wahrheit die beiden gewöhnlichsten Gefährten sind, die den Menschen auf seinem Wege zur Hölle begleiten. … Keinem dieser Sünder darf auf diesem Wege Ruhe gelassen werden …, man muß ihnen zurufen: unsterblicher Mensch, steh um Gottes willen stille! Besinne dich! Lauf nicht weiter fort in dein ganz gewisses Verderben; schaue in den Abgrund, der dich verschlingen wird, wo du nicht umkehrst und Buße tust.“

Große Bedeutung hatte für Rauschenbusch der Konfirmandenunterricht, da er die jungen Menschen noch als formbar betrachtete. Auch nach erfolgter Konfirmation hielt Rauschenbusch mit den bereits Konfirmierten regelmäßige Bibelstunden ab. Nicht die theologische Wissenschaft, sondern eine intensive Besuchstätigkeit bei den Gemeindemitgliedern standen bei Rauschenbusch im Vordergrund. Die Predigten Rauschenbuschs erhielten nach kurzer Zeit großen Zulauf, auch von Gläubigen aus anderen Gemeinden. Nach und nach schaffte er es, viele Mitglieder seiner Kirchengemeinde zu »erwecken«, das heißt Menschen mit »falschen« Glaubensvorstellungen zur Einsicht über sich selbst und den richtigen Glauben zu bringen. So konnte Rauschenbusch nach einiger Zeit notieren: „Die Erweckungen in der Gemeine gehen still und geräuschlos fort, und ich hatte die große Freude, mehrere dieser göttlich Betrübten bei mir zu sehen, und das sind die süßesten Früchte des Amtslebens.“

Mit den aufgeklärten Theologen, u.a. mit dem Jöllenbecker Pfarrer Johann Moritz Schwager, geriet Rauschenbusch in Streit. Rauschenbusch hatte für die Bünder Gemeinde die Einführung des Berliner Gesangbuches abgelehnt, weil in den darin aufgenommenen Liedern jegliche Hinweise auf Teufel und Hölle fehlten. Als der Bünder Pfarrer von Johann Moritz Schwager deshalb kritisiert wurde, bezeichnete Rauschenbusch seinen Amtsbruder in einer Predigt als Teufelsspötter und Schriftverdreher. Rauschenbusch hatte Kontakte zur Deutschen Christentumsgesellschaft, die, ausgehend vom reformierten Basel, mit ihren Rundbriefen eine Verbindung zwischen den verschiedenen Gruppen der Erweckten aufrecht erhielt. Er fungierte zudem als Schriftführer der Ravensberger Sektion der »Deutschen Gesellschaft zur Beförderung reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit«.

Rauschenbusch übernahm im Jahre 1790 die evangelisch-lutherische Gemeinde in Elberfeld. Materielle Gründe für den Wechsel gab es nicht. Rauschenbuschs Einkünfte in Elberfeld waren geringer als die in Bünde, wo er den einträglichen Pfarrhof bewirtschaftet hatte. Als Rauschenbusch vier Jahre nach seinem Weggang seine alte Gemeinde in Bünde besuchte, wurde ihm in Bünde von seinen Anhängern ein begeisterter Empfang bereitet.

Quellen/Literatur:

Hans-Martin Thimme, Hilmar Ernst Rauschenbusch – ein Vater der Erweckung, in: JVWK Bd. 97. 2002, S. 6-103. Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 52-54.