Dr. Richard Moes: Bürgermeister 1925 – 1937

von Norbert Sahrhage


Dr. Richard Moes
Dr. Richard Moes

Dr. Richard Moes wurde am 31. Dezember 1887 als Sohn eines Fabrik- und Rittergutsbesitzers in Breslau (Schlesien) geboren. Das Gymnasium in Strehlen schloss Moes Ostern 1908 mit dem Abiturzeugnis ab und studierte anschließend an den Universitäten Heidelberg, München, Berlin und Jena Nationalökonomie und Rechtswissenschaft. Nach Beendigung des Studiums hatte Moes zunächst eine Anstellung als Assistent am sozialpolitischen Seminar der Universität Jena gefunden. Während des Ersten Weltkrieges war der militäruntaugliche Moes zunächst als Kriegshilfskraft bei der Stadtverwaltung in Guben (Niederlausitz) beschäftigt und ab Oktober 1916 als Hilfsreferent beim weimarischen Staatsministerium. Kurze Zeit später wurde er an das Ernährungsamt der Thüringischen Staaten in Weimar überwiesen, wo er als Referent und später als Abteilungsleiter tätig war. Während dieser Zeit verfasste er eine Dissertation mit dem Titel: Zur Systematik der kommunalen Kriegslebensmittelpolitik, mit der er an der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert wurde.

Vom 1. Oktober 1918 an war Moes als Verwaltungsdezernent bei der Regierung Gumbinnen beschäftigt, wo man ihn mit der wirtschaftlichen Demobilmachung betraute. Im Oktober 1919 wurde Moes zum Magistratsassessor und hauptamtlichen Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses der Stadt Guben gewählt und übernahm dann, nachdem er im April 1920 geheiratet hatte, im Dezember 1920 die Leitung des Statistischen Amtes der Stadt Guben. Die Ernennung zum Magistratsrat erfolgte im Mai 1923. Moes hatte sich im November 1918 der DNVP angeschlossen, war jedoch im November 1919 wieder ausgetreten. Seit 1925 gehörte Moes den Freimaurern an, zunächst der Loge »Zu den 3 Säulen am Weinberg« in Guben, seit Anfang des Jahres 1926 dann der Loge »Armin zur deutschen Treue« in Bielefeld. Als Inhaber des IV. Grades gründete Moes zudem im Jahre 1930 den freimaurerischen Verein in Bünde und leitete ihn bis April 1933.

Im April 1925 hatte sich Moes um die Stelle des Bürgermeisters der Stadt Bünde beworben und wurde am 7. August 1925 von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig auf zwölf Jahre gewählt. Während seiner Amtszeit als Bürgermeister, die im Oktober 1925 begann, erwies sich Dr. Moes als qualifizierter und innovationsfreudiger Fachbeamter und realisierte in Bünde eine Reihe von bedeutenden Projekten, u.a. die Elseregulierung zwischen der Sachsenstraße und der Eschenbrücke, wodurch etwa 75 Hektar Land vor Überschwemmungen gesichert wurden, den Bau der Kanalisation in wesentlichen Teilen des Stadtkernes, die bauliche Umgestaltung des alten Kirchplatzes, die Verbesserung des Bünder Schulwesens, den Um- und Erweiterungsbau des Bünder »Stadtgartens« sowie den Neubau der Stadtsparkasse und der Badeanstalt. Schließlich initiierte Dr. Moes im Jahre 1936 auch die Gründung des Tabak- und Zigarrenmuseums, das sehr rasch überregionale Bedeutung erlangte.

Vor der nationalsozialistischen »Machtergreifung« war Moesʼ Verhältnis zur aufsteigenden Bünder NSDAP sehr gespannt. Moes hatte sich in der Endphase der Weimarer Republik streng an die bestehenden gesetzlichen Vorschriften gehalten und Übertretungen insbesondere der Bünder SA deutlich zurückgewiesen. Nach der Kommunalwahl im März 1933 richtete die nationalsozialistische Stadtverordnetenfraktion gemeinsam mit den nationalsozialistischen Mitgliedern des Magistrats ein Gesuch an den preußischen Innenminister, Moes nach § 4 des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« aus dem Dienst zu entlassen. In der Begründung hierzu hieß es: „Wenn er auch in den letzten Monaten vorsichtiger geworden ist und sich immer mehr ein nationales Mäntelchen umhängt, so ist doch kein Verlass auf ihn“ ... . Am selben Tag beantragten die nationalsozialistische Stadtverordnetenfraktion und die nationalsozialistischen Mitglieder des Magistrats zudem beim Mindener Regierungspräsidenten, Moes sofort zu beurlauben und durch einen neuen kommissarischen Bürgermeister zu ersetzen, da „ein loyales Zusammenarbeiten mit diesem Herrn trotz seiner schönen Worte nicht länger möglich ist.“ Die Bünder Nationalsozialisten hatten bereits die Verbindung zu einem langjährigen NSDAP-Mitglied und ehemaligen Freikorpskämpfer in Barmen hergestellt, der aus dem benachbarten Bardüttingdorf stammte und die beruflichen Voraussetzungen für das Bürgermeisteramt besaß.

Erste Ermittlungen der ebenfalls eingeschalteten Gauleitung führten zu keiner Entscheidung, da sich die Herforder Kreisleitung der NSDAP und die Ortsgruppenleitung in Bünde hinsichtlich des Vorgehens gegen Moes uneinig waren. Weder die übergeordneten Partei- noch die staatlichen Instanzen waren bereit, die Forderungen der Bünder NSDAP zu erfüllen. Der mit der Lösung des Konfliktes beauftragte Leiter der Gau-Personalabteilung in Münster und zukünftige Herforder Landrat, Erich Hartmann schlug vor, „nach Möglichkeit einen Austausch zwischen Dr. Moes und einem anderen Bürgermeister vorzunehmen.“ Die Gelegenheit zu einem Austausch des Bürgermeisters ergab sich jedoch nicht, da weder im Regierungsbezirk Minden noch im Regierungsbezirk Münster ein geeigneter Tauschpartner zur Verfügung stand.

In der Folgezeit festigte sich Moesʼ Stellung wieder, weil die Bünder Nationalsozialisten einsehen mussten, dass eine rasche Änderung der gegebenen Verhältnisse nicht möglich war. Lediglich die Bünder SA blieb in ihrer Feindschaft zu Moes unversöhnlich.

Als unüberwindbare Barriere für Moesʼ Wiederwahl im Jahre 1937 stellte sich schließlich seine frühere Freimaurerlogenzugehörigkeit heraus. Da seine Bemühungen um eine andere Beschäftigung im Staatsdienst erfolglos blieben, wurde Dr. Moes nach Ablauf seiner Amtszeit zunächst pensioniert. Vorübergehend betrieb er daraufhin das Zigarrenversandhaus Die gute Bünder. In einer Geschäftsanzeige vom November 1937 warb Moes mit seiner kommunalpolitischen Erfahrung: „In meiner 12jährigen Tätigkeit als Bürgermeister der bekannten Zigarrenstadt Bünde habe ich u.a. auch Einblick in die Zigarren-Industrie bekommen und die Bünder Zigarren gut kennengelernt. So habe ich mich entschlossen, diese Kenntnisse für ein eigenes Versandgeschäft zu verwerten, das ich im Namen meiner Frau führe.“

Im Jahre 1939 zog Moes nach Detmold um, wo er in der Kriegszeit von 1943 bis 1945 das Kriegsschädenamt leitete. Nach Kriegsende wurde Moes im Juli 1945 von den Alliierten zunächst zum kommissarischen Bürgermeister, anschließend zum Stadtdirektor der Stadt Detmold bestellt und war so entscheidend am Wiederaufbau des kommunalen Lebens beteiligt. Im Herbst 1946 musste Dr. Moes auf Drängen der englischen Besatzungsmacht als Stadtdirektor zurücktreten, wurde jedoch, zwischenzeitlich der CDU beigetreten, nach der Kommunalwahl im Jahre 1949 zum Bürgermeister der Stadt Detmold gewählt. Dieses Amt hatte er bis zum Jahre 1952 inne. Während seiner Amtszeit erwarb sich Moes Verdienste als Förderer des Lippischen Landestheaters und der Nordwestdeutschen Musikakademie.

Nach seiner Pensionierung stellte Moes einen Antrag auf Wiedergutmachung im Sinne des »Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes« wegen der unterbliebenen Wiederwahl für eine weitere Amtsperiode als Bürgermeister in Bünde. Erst nach der Änderung der Rechtslage durch das 3. Änderungsgesetz vom 23. Dezember 1955 konnte sein Fall als Wiedergutmachungsfall anerkannt werden. Am 31. Dezember 1962 wurde Richard Moes vom Rat der Stadt Bünde zum Ehrenbürger ernannt, im Jahre 2010 wurde – auf Vorschlag von Stadthistoriker Jörg Militzer – in Holsen zudem eine Straße nach dem früheren Bürgermeister benannt. Moes verstarb am 10. Juli 1968 in Detmold.

Quellen/Literatur:

KAH, C, Nr. 954, 955 u. 956. Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 469f.