Friedrich Wilhelm Frentrup: Amtsbürgermeister in Spenge 1931 - 1954

von Norbert Sahrhage


Amtsdirektor Wilhelm Frentrup bei der Grundsteinverlegung anlässlich des Baues der Spenger Volksschule. (Foto: Sammlung Norbert Sahrhage)
Amtsdirektor Wilhelm Frentrup bei der Grundsteinverlegung anlässlich des Baues der Spenger Volksschule. (Foto: Sammlung Norbert Sahrhage)

Der als Sohn eines Eisenbahnschaffners am 3. September 1896 in Hesseln, Kreis Halle/Westf., geborene Friedrich Wilhelm Frentrup war vom 1. April 1931 bis zum 9. März 1954 Bürgermeister bzw. Amtsdirektor des Amtes Spenge. Nach absolvierter Volksschule im Jahre 1910 hatte Frentrup die Verwaltungslaufbahn eingeschlagen, zunächst als Lehrling bei der Einkommenssteuerveranlagungskommission in Halle, dann als Gehilfe beim dortigen Kreisausschuss, von wo aus er zum 18. Januar 1914 als Gehilfe zum Kreisausschuss nach Herford wechselte. Seine Militärdienstzeit absolvierte Frentrup als Kriegsfreiwilliger vom 16. November 1914 bis zum 8. Dezember 1918 bei der III. Matrosen-Artillerieabteilung und wurde im Range eines Obermatrosen-Artilleristen entlassen. Frentrup nahm zunächst als Gehilfe, dann als außerplanmäßiger Assistent seine Tätigkeit beim Kreisausschuss in Herford wieder auf, legte am 8. und 10. Dezember 1919 die Verwaltungsassistentenprüfung mit der Note "ausreichend", am 19. und 20. Juni 1922 die Prüfung für Verwaltungssekretäre mit "gut" ab und wurde am 1. Januar 1923 zum Kreisausschussobersekretär befördert.

In dem Gutachten des Landrats von Borries vom 2. März 1922 hieß es, Frentrup habe sich „in die sehr umfangreichen und verantwortungsvollen Dienstgeschäfte völlig hineingelebt“, er kenne „als Ravensberger Land und Leute“ und verstehe es gut, „mit den Wegewärtern, Unternehmern, Lieferanten usw. umzugehen.“ Nach seiner Beförderung zum Kreisausschussinspektor am 6. März 1930 bewarb sich Frentrup auf die vakant gewordene Bürgermeisterstelle des Amtes Spenge und schied nach erfolgter Wahl am 31. März 1931 aus den Diensten des Kreises Herford aus.

Nach der "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten erkannte Frentrup die Zeichen der neuen Zeit sehr rasch und trat bereits am 20. April 1933 der SA und der NSDAP bei. In der SA stieg er sehr bald zum Scharführer auf. Zuvor, von 1919 bis zum April 1933, hatte Frentrup der DNVP angehört. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 erbrachten bei Frentrup, wie der Herforder Landrat von Borries ausdrücklich feststellte, „daß Sie nach wie vor in dem vollen Genuß der Berufsbeamtenrechte bleiben und als Beamter Anspruch auf die Achtung haben, die Ihrem Amte zukommt“. Offenbar zur Dokumentation seiner politischen Haltung stellte Frentrup am 28. August 1934 einen Urlaubsantrag „zwecks Teilnahme am Reichsparteitag der NSDAP“ in Nürnberg.

Am 25. August 1939, wenige Tage vor Kriegsbeginn, wurde Frentrup in die Verwaltung der Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven einberufen und der Kriegsmarineausrüstungsstelle in Bremerhaven als Marineverwaltungsinspektor d.P. zugeteilt. Seine Amtsgeschäfte in Spenge führte Frentrup an freien Wochenenden und während seines Urlaubs weiter. Am 1. September 1942 wurde Frentrup das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse verliehen. In den letzten Kriegsjahren und -monaten verhielt sich Frentrup sehr flexibel. Die künftige Entwicklung absehend, knüpfte er bereits lockere Verbindungen auch zu oppositionellen Kräften in Spenge, so dass er nach Kriegsende eine umfangreiche Sammlung entlastender Aussagen vorlegen konnte.

 

Der am 8. Juni 1945 tagende Amtsausschuss der Gemeinde Spenge votierte mit 8:1 Stimme dafür, dass Frentrup im Amt verbleiben sollte. Die Ausschüsse der übrigen Gemeinden des Amtes Spenge traten ebenfalls für Frentrup ein. Die anlaufenden Entnazifizierungsmaßnahmen stellten jedoch Frentrups Bemühungen, im Amt zu verbleiben, zunächst massiv in Frage. Insbesondere seine vormalige Stellung als SA-Scharführer erwies sich als Barriere für Frentrups Weiterbeschäftigung. Der Herforder Landrat stellte am 29. September 1945 in einem Schreiben an die alliierte Militärregierung in Herford fest: „In accordance with the ordinances issued by the Mil. Gov. Det. 507 Minden relating removal of personnel and the ordinances issued by the Regierungspräsident at Minden dated 15.9., 17.9. and 25.9.1945 - Pr. - the Amtsbürgermeister Frentrup at Spenge is also to be removes without delay because he has held the position of a "SA.-Scharführer". Owing to the membership in the NSDAP, he was not needing to be removed as he has not held any position in the NSDAP.” Zugleich bat der Landrat jedoch darum, Frentrup zunächst weiter im Amt zu belassen: „As the functions of an ‘Amtsbürgermeister’ cannot be done without greatest difficulties by anyother person and further, as the Amtsbürgermeister is ... the sole official of his ‘Amt’. I beg to request für such an decision so that he is allowed to remain in his position up to 1.11.1945 at least.”

Dieser Versuch des neuen Landrats Dr. Carl von Laer, der von den Allierten am 12. April 1945 eingesetzt worden war, Frentrup zunächst weiter im Amt zu halten, resultierte aus den Sachzwängen der nur schlecht überschaubaren Nachkriegssituation, da insbesondere die bestehenden Versorgungsprobleme einer funktionierenden Verwaltung bedurften. Diesen Argumenten zeigte sich auch die Militärregierung zugänglich. Am 23. Oktober 1945 wurde dem Landrat mitgeteilt, dass gegen die vorläufige Weiterbeschäftigung Frentrups „von hier keine Einwendung besteht.“

 

Frentrup, über die Bedrohlichkeit seiner beruflichen Situation informiert, hatte am 3. Oktober 1945 in einem Schreiben an den Landrat sein Verhalten während des "Dritten Reiches" zu rechtfertigen versucht. Eigentlich habe er immer in Opposition zur NSDAP gestanden, er sei der Partei nur beigetreten, um nicht seine berufliche Existenz und damit die wirtschaftliche Existenz seiner Familie zu gefährden: „Als im Jahre 1933 der Nationalsozialismus zur Macht gelangte, wurde ich zunächst von der hiesigen Ortsgruppe der NSDAP als Amtsbürgermeister abgelehnt, da ich bis dahin dem Nationalsozialismus vollkommen fernstand. Hinzu kam noch, im März 1933, als ich gelegentlich des Heldengedenktages auf dem Schulhof in Spenge sprach, am Schluß meiner Ansprache dem damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg gedachte, aber nicht Adolf Hitler. Unter Einschaltung des damaligen Landrats von Borries wurde ich aber doch von der Partei im Dienst belassen, aber zunächst als Mitglied der Partei abgelehnt. Es wurde mir aber zur Bedingung gestellt, in die SA einzutreten und würde damit später automatisch zur Partei übernommen. Um meine Stellung und Brot für meine Familie zu behalten, habe ich seiner Zeit diesen Schritt getan. Im Laufe der Zeit wurde ich in der SA zum Scharführer ernannt. Seit Ende 1935 habe ich mich in der SA aber nicht mehr beteiligt. Mitglied der Partei wurde ich im Sommer 1933 mit rückwirkender Beitragszahlung ab 1.5.1933. Hiermit erkläre ich ausdrücklich, dass ich den Nationalsozialismus vor 1933 offen und später innerlich abgelehnt habe.“

Frentrup verblieb auch über den vom Landrat beantragten 1. November 1945 hinaus weiter im Amt. Am 18. Januar 1946 wurde er von der Amtsvertretung für die Dauer von sechs Jahren zum Amtsdirektor des Amtes Spenge gewählt, die Wahl Frentrups wurde am 28. Januar 1946 von der Militärregierung bestätigt. Der Denazifizierungsausschuss des Amtes Spenge hatte am 17. Juni 1946 über die noch ausstehende Entnazifizierung Frentrups und damit über sein weiteres berufliches Schicksal zu entscheiden. Wie das Sitzungsprotokoll zeigt, berücksichtigten die neun Ausschussmitglieder „dass Frentrup ein tüchtiger Verwaltungsbeamter ist und viel für Spenge geleistet hat. Auf der anderen Seite hat er aber nichts dazu getan, die politisch Verfolgten nach Spenge zurückzuholen.“ Während alle anderen in dieser Sitzung gefällten Entscheidungen einstimmig beschlossen wurden, votierte die Ausschussmehrheit für die Einstufung Frentrups in die Kategorie D 1 (= Anstellung nicht empfohlen), drei Ausschussmitglieder traten für die Einstufung in die Kategorie D 2 (= Anstellung empfohlen) ein. Gegen diese Entscheidung legte Frentrup Berufung ein, mit der sich der Entnazifizierungshauptausschuss des Kreises Herford als Berufungsinstanz der in den Ämtern bestehenden Denazifizierungsausschüssen zu befassen hatte.

Am 8. Oktober 1946 berichtete der von der Militärregierung am 28. Februar 1946 ernannte Oberkreisdirektor Hans Friedrichs an den Regierungspräsidenten in Minden: „F. ist seit dem 1.4.1931 Amtsbürgermeister und Amtsdirektor des Amtes Spenge mit über 8.000 Einwohnern. Er ist beruflich für die Verwaltung des Amtes voll geeignet. Von der Denazifizierungskammer mit "D 1" beurteilt. Das Berufungsverfahren läuft. Falls er endgültig als politisch tragbar erklärt werden sollte, stünde einer Bestätigung nichts mehr im Wege."

Durch Bescheid der britischen Militärregierung vom 25. November 1947 wurde Frentrup aufgrund der Verhandlungen des Entnazifizierungshauptausschusses des Kreises Herford schließlich in die Kategorie IV (= Nazi, Anhänger) eingeordnet. Damit war sein Verbleiben im Amt endgültig gesichert. Kurz vor Ablauf seiner sechsjährigen Wahlperiode als Amtsdirektor wurde Frentrup am 26. Oktober 1951 von der Amtsvertretung bei elf Ja-Stimmen und einer Enthaltung wiedergewählt. Am 9. März 1954 verstarb Wilhelm Frentrup während eines Kuraufenthaltes in Bad Pyrmont.

Quellen/Literatur:

KAH, Bestand Kreis, C, Nr. 943: Personalakten des Amtsdirektors Wilhelm Frentrup in Spenge 1924-1954. Norbert Sahrhage, Lokale Eliten in Demokratie und Diktatur. Die Bürgermeister in Stadt und Landkreis Herford 1929 – 1945, in: Brakensiek, S. u.a. Hg., Kultur und Staat in der Provinz. Perspektiven und Erträge der Regionalgeschichte, Bielefeld 1992, S. 233-58.

Norbert Sahrhage, Stahlhelm versus NSDAP im Amt Spenge. Anmerkungen zur Frage einer konservativen Opposition in der Zeit des "Dritten Reichs", in: Ravensberger Blätter H. 1, 1990, S. 8-21.