von Norbert Sahrhage
In einem Nachruf der sozialdemokratischen Bielefelder Zeitung "Volkswacht" wird Johann Friedrich ("Fritz") Brinkmann als „alter sozialistischer Vorkämpfer“ gewürdigt,
der zu jenen gehörte, „die im Ravensberger Lande unter größten Gefahren das Banner des Sozialismus gehißt haben“.
Der am 14. Juli 1859 in Spenge geborene Fritz Brinkmann stammte aus einer Heuerlingsfamilie und erlernte nach dem Besuch der Volksschule, wo er sich als überdurchschnittlich begabter Schüler erwiesen hatte, wie viele seiner Mitschüler das Zigarrenmachen. Bereits als 18-jähriger Zigarrenmacher schloss sich Fritz Brinkmann, vermutlich durch ältere auswärtige Arbeitskollegen beeinflusst, der SPD an.
Nachdem das Sozialistengesetz, das sozialdemokratische Aktivitäten verboten hatte, im Jahre 1890 vom neugewählten Reichstag nicht mehr verlängert worden war, wurde am 23. November 1890 auf Initiative von Fritz Brinkmann in der Gastwirtschaft Freese, Westerenger Nr. 63, der Spenger Ortsverein gegründet. Fritz Brinkmann wurde erster Vorsitzender des neugegründeten Vereins. Brinkmann war auch Einberufer der in tätlicher Gewalt ausgearteten Versammlung am 9. August 1891, die als Spenger Schlacht weit über den Kreis Herford hinaus bekannt wurde. Brinkmann fungierte zudem als Filial-Expedient der im Jahre 1890/91 gegründeten Volkswacht und sorgte für die Verbreitung und Verteilung der Volkswacht im Spenger Raum.
Der Sozialdemokratische Verein – und insbesondere auch Fritz Brinkmann – wurden von der lokalen Obrigkeit argwöhnisch beobachtet; stattfindende Parteiversammlungen wurden bespitzelt oder zu verhindern versucht. Bei der konservativen bäuerlichen Bevölkerung und bei der pietistischen Geistlichkeit stießen die Sozialdemokraten auf offene Ablehnung, die bis zu schweren Tätlichkeiten (Spenger Schlacht) reichte. Für Fritz Brinkmann waren parteipolitische und gewerkschaftliche Arbeit untrennbar miteinander verbunden. So war er denn auch maßgeblich am Aufbau einer Spenger Zigarrenarbeiter-Gewerkschaft beteiligt. Er gehörte dem Vorstand des sozialdemokratisch ausgerichteten Zigarrenarbeitervereins »Immergrün« an und leitete die Spenger Zahlstelle des »Deutschen Tabakarbeiterverbandes«. Hierbei kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem der Christlich-Sozialen Partei nahestehenden »Verband christlicher Tabak- und Zigarrenarbeiter Deutschlands« der in Spenge ebenfalls eine Zweigstelle besaß.
In seiner Eigenschaft als Gewerkschafter organisierte Fritz Brinkmann seit 1906 gemeinsam mit dem Gauleiter des »Tabakarbeiterverbandes«, Wilhelm Schlüter, mehrere Streiks zur Durchsetzung von Lohnerhöhungen für die Zigarrenarbeiter. Gegen Fritz Brinkmann wurden immer wieder behördliche Untersuchungen eingeleitet. Im Juni 1915 wurde er zu einem Tag Gefängnis verurteilt, weil er zu einer nicht genehmigten Versammlung der Spenger Ortsgruppe des »Tabakarbeiterverbandes« eingeladen hatte.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges beteiligte sich Fritz Brinkmann aktiv an der Lösung der sich durch den verlorenen Krieg ergebenden Versorgungsprobleme. Er gehörte dem Spenger »Arbeiter- und Soldatenrat« an, war von Oktober 1919 bis zum Jahre 1925 Mitglied der Spenger »Armenkommission« und gehörte zeitweise der gemeindlichen »Erwerbslosenfürsorgekommission« und der »Tabakarbeiterunterstützungskommission« an. Der von Jugend an hörgeschädigte Fritz Brinkmann war kein Massenredner. Bei größeren Veranstaltungen wurden deshalb entweder der Redakteur der Bielefelder Volkswacht, Carl Hoffmann, oder der Bielefelder Parteisekretär der SPD, Carl Schreck, nach Spenge eingeladen. Fritz Brinkmann war jedoch ein hervorragender Organisator, der zudem durch Einzelgespräche Menschen zu überzeugen wusste. Er genoss das Vertrauen der „kleinen“ Leute, die sich immer an ihn wandten, wenn sie Schriftstücke aufzusetzen hatten oder solche von den Behörden zugestellt bekamen.
Fritz Brinkmann ist nicht Mitglied der Spenger Gemeinde- oder Amtsvertretung gewesen. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag eindeutig in der Partei- und Gewerkschaftsarbeit. Der von ihm und seiner Frau Anna Catharina Luise Vogt, die er als Kriegerwitwe kurz vor Kriegsende geheiratet hatte, seit 1918 bewohnte Kotten des Bauern Hausstätte, Spenge Nr. 16, war bis zu seinem Tode Treffpunkt und Zentrale der Spenger Sozialdemokraten. Fritz Brinkmann starb am 19. März 1932 im Alter von 72 Jahren an einem Herzleiden. Dass damit das Symbol der Spenger Sozialdemokraten schlechthin gestorben war, zeigte sich am Tage seiner Beisetzung, als ihm mehrere hundert Menschen aus der Spenger Bevölkerung, Vertreter der Gewerkschaften, der Partei, des »Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold«, der Spenger Arbeitersport- und Sängervereine sowie Deputationen von Gewerkschaften und SPD aus er näheren Umgebung die letzte Ehre erwiesen.
Die Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokratie und Geistlichkeit, die das Leben Fritz Brinkmanns geprägt hatte, erreichte während der Beisetzungsfeierlichkeiten einen letzten traurigen Höhepunkt, da Pastor Müller, der die Beerdigung vornahm, den Trauerzug am Friedhofseingang erwartete und die Mitführung der den Trauerzug begleitenden Fahnen mit Ausnahme der Zigarrenarbeiterfahne auf den Friedhof verbot.
Quellen/Literatur:
Volkswacht Nr. 182 v. 7.8.1926 u. Nr. 63 v. 16.7.1929.
Norbert Sahrhage, Fritz Brinkmann, ein Leben des sozialen und politischen Engagements, in: Beiträge zur Geschichte der SPD im Kreis Herford, Löhne 2013, S. 43f.