Walter André: Nestor der deutschen Zigarrenindustrie

von Norbert Sahrhage


Walter André setzte in der Nachkriegszeit auf die Marke Handelsgold und war damit erfolgreich. (Museum Bünde)
Walter André setzte in der Nachkriegszeit auf die Marke Handelsgold und war damit erfolgreich. (Museum Bünde)

Georg Arnold Walter André, jüngster Sohn des Zigarrenfabrikanten Georg André und seiner Ehefrau Anna Margarete Strauch, wurde am 5. Januar 1899 in Bünde geboren. Walter André hatte drei ältere Geschwister: Fritz (*1892), Richard Arnold (*1893) und Annemarie (*1895). Als Sechzehnjähriger trat Walter André im Jahre 1915 in die väterliche Firma ein. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges noch eingezogen, wurde Walter André schwer verwundet. Im Jahre 1923 übernahmen Walter André und sein älterer Bruder Fritz (*1892) als Vorstände das in eine Aktiengesellschaft umgewandelte väterliche Unternehmen; ihr Vater, Georg André, wurde Aufsichtsrat. Im Jahre 1937, noch vor dem Tode Georg Andrés, wurde die Aktiengesellschaft in eine OHG umgeformt.

1923 hatte Walter André Yolande Boecker von Kapff geheiratet; der Ehe entstammten drei Kinder: Ernst Arnold (*1926), Annemarie (*1928) und Ingrid Ellen (*1933). Politisch tendierte Walter André nach rechts. Bereits während der Zeit der Weimarer Republik hatte Walter André dem rechtsradikalen »Stahlhelm« angehört, der die demokratische Republik bekämpfte; im April 1936 schloss er sich zudem der NSDAP an. Von 1942 bis 1945 vertrat Walter André als Erster Beigeordneter den in das Generalgouvernement abgeordneten Bünder Bürgermeister Dr. Dr. Rattay, was nach Kriegsende die Entnazifizierung des Unternehmers erschwerte. Letztlich wurde Walter André aber – wohl auch aus wirtschaftlichen Erwägungen – als bloßer „Mitläufer“ kategorisiert. In dem Sitzungsprotokoll des Entnazifizierungsausschusses ist vermerkt, dass es sich dabei allerdings um einen „Sonderfall“ handele.

André wurde attestiert, die „Gewaltmethoden des Nationalsozialismus stets abgelehnt“ zu haben. Weiter hieß es: „Seine Mitarbeit beim Wiederaufbau der Wirtschaft im demokratischen Staate ist unentbehrlich. Wenn André während des Krieges ein öffentliches Ehrenamt ausgeübt hat, so ist dies lediglich aus Heimatliebe und Pflichtbewußtsein gegenüber der Stadt geschehen.“ Nachdem sein Bruder Fritz André in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gefallen war, führte Walter André das Unternehmen zunächst allein. Im Jahre 1956 trat dann sein Sohn Ernst Arnold in das Unternehmen ein.

Zigarrenfabrikant Walter André war nach der Währungsreform 1948 trotz des allgemein rückläufigen Zigarrenkonsums mit der von ihm kreierten Marke Handelsgold am Markt sehr erfolgreich und sicherte seinem Unternehmen – auch durch konsequente Mechanisierung und Rationalisierung der Produktion – eine dominierende Position in Deutschland. Mit 6.250 Arbeitskräften, darunter viele Heimarbeiter, hatte das Unternehmen im Jahre 1959 den höchsten Beschäftigungsstand.

In den Jahren 1958 und 1962 wurden in Osterholz-Scharmbeck und in Königslutter an der niedersächsischen Zonengrenze zwei moderne Zigarrenfabriken errichtet. Durch die im Jahre 1988 begonnene Kooperation mit dem führenden niederländischen Zigarrenhersteller Elisabeth Bas und der Übernahme der niederländischen Firma Willem II wurde die neue EBAS Group B.V. zum größten Zigarrenhersteller in Europa. Walter André, der der exklusiven Bünder Abendgesellschaft angehörte und viele Jahre lang Vorsitzender des Bünder Tennisclubs war, starb am 25. August 1991. In einem Nachruf wurde André als Nestor der deutschen Zigarrenindustrie bezeichnet.

Quellen/Literatur:

Martin Fiedler, Arnold André Cigars, in: Martin Fiedler, Monika Dickhaus u. Norbert Sahrhage Hg., Spuren der Zigarre. Bünde – ein Rundgang durch die „Zigarrenkiste Deutschlands“, Essen 2000, S. 48-51. Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 416.