Dr. Paul Schildwächter: Bürgermeister des Amtes Ennigloh, 1935-1945

von Norbert Sahrhage


Dr. Paul Schildwächter, Bürgermeister des Amtes Ennigloh, 1935-1945 (Foto: Stadtarchiv Bünde)
Dr. Paul Schildwächter, Bürgermeister des Amtes Ennigloh, 1935-1945 (Foto: Stadtarchiv Bünde)

Nachfolger Richard Schäfers, der vom 1. März 1912 bis zu seinem überraschenden Tod am 5. Juni 1934 die Stelle des Bürgermeisters des Amtes Ennigloh innegehabt hatte, wurde Dr. Paul Schildwächter. Am 14. September 1888 als Sohn eines Amtsrentmeisters in Lütgendortmund geboren, hatte Schildwächter nach dem Besuch des Realgymnasiums in Unna an den Universitäten Marburg, Würzburg und Münster Rechts- und Staatswissenschaft sowie Volkswirtschaft studiert und war nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg an der Universität Gießen zum Dr. jur. promoviert worden. Vom 1. September 1918 bis Dezember 1920 hatte Schildwächter eine Tätigkeit als juristischer Hilfsarbeiter bei der Stadtverwaltung in Wanne-Eickel ausgeübt, bevor er am 20. Dezember 1920 seine erste Anstellung als Bürgermeister der Stadt Vlotho fand.

Bis zur nationalsozialistischen »Machtergreifung« hatte Schildwächter seine Amtsgeschäfte in Vlotho ohne größere Konflikte geführt. Mehrere Jahre lang war Schildwächter zudem Vorsitzender des Landgemeindetages West. Im März 1933 war er, nachdem er von 1922 bis 1930 der DVP angehört hatte, in die NSDAP eingetreten, im Juni 1933 in die SA. Schildwächter hatte aber dennoch versucht, eine Einmischung der örtlichen NSDAP in seine Amtsführung zu verhindern. Eine Haussuchung, die Schildwächter im Oktober 1934 wegen Verdachts auf widerrechtlichen Waffenbesitz bei zwei alten Nationalsozialisten durchführen ließ, brachten die Vlothoer NSDAP und SA gegen ihn auf. Schildwächter wurde daraufhin vom Regierungspräsidenten zum 30. Januar 1935 auf die durch den Tod Richard Schäfers vakant gewordene Stelle im Amt Ennigloh versetzt.

Die ersten Jahre in Ennigloh verliefen relativ ruhig. Im Jahre 1939 kam es jedoch zu mehreren Auseinandersetzungen mit Vertretern der örtlichen NSDAP, als diese versuchten, auf die Amtsführung Schildwächters Einfluss zu nehmen. Nachdem sich Schildwächter Ende des Jahres 1938 auf Druck des NSDAP-Ortsgruppenleiters damit einverstanden erklärt hatte, vorübergehend das Amt des Ortsgruppenschulungsleiters zu übernehmen, war er bereits nach seinem ersten Vortrag von Kreisschulungsleiter Hasheider heftig kritisiert worden, worauf Schildwächter das Amt sofort niederlegte. Ein zweiter Konflikt mit der Partei entzündete sich, als Schildwächter bei einer Beförderung einen Beamten überging, der sich um die »Nationalsozialistische Volkswohlfahrt« (NSV) verdient gemacht hatte.

Im Januar 1940 wurde Schildwächter zur Wehrmacht einberufen und dem Generalkommando, Wehrkreisverwaltung VI, in Münster zugeordnet, wo er zum Kriegsverwaltungsrat ernannt, später sogar zum Intendanturrat befördert wurde. Rückblickend schrieb Schildwächter: „Als ... ich zur Wehrmacht einberufen wurde, war das für mich eine Erlösung aus ständigem Druck und Knebelung durch die Partei.“ Schildwächter blieb bis zum Ende des Krieges bei der Wehrmachtsverwaltung. Während der Zeit seiner Einberufung führte er die Ennigloher Amtsgeschäfte an den Wochenenden und in den Urlaubszeiten weiter. Im Jahre 1943 kam es zu abermaligen Angriffen gegen Schildwächter, die von dem neuen NSDAP-Ortsgruppenleiter der Gemeinde Ennigloh, Friedrich Wetekam, ausgingen. Er warf dem Bürgermeister vor, nationalsozialistische Gesetze zu sabotieren, da er nicht genug Geld aus den Rücklagen der Gemeinden in Reichsschatzanweisungen anlege. Schildwächter habe zudem Kriegswirtschaftsverordnungen übertreten, da er zu viel Benzin durch unnötiges Fahren mit dem PKW verbraucht habe und das Futter für sein Geflügel im Schwarzhandel erwerbe. Schließlich sei von Schildwächter versucht worden, das Ansehen des früheren Ortsgruppenleiters Erich Biemelt zu verunglimpfen. Schildwächter habe damit auch die Ehre der Partei verletzt.

Die Attacken gegen Schildwächter blieben allerdings erfolglos, da in der Kriegssituation kein Interesse daran bestand, Konflikte hochzuspielen. Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft war Dr. Schildwächter körperlich so geschwächt, dass er am 28. September 1945 um die Versetzung in den Ruhestand bat. Obgleich er nur für kurze Zeit Ortsgruppenschulungsleiter der NSDAP gewesen war, gehörte er zu jenem Personenkreis, der zwangsweise zu entlassen und zunächst auch nicht pensionsfähig war. Gegen diese schematische Anwendung der Entnazifizierungsbestimmungen protestierten am 1. Februar 1946 – möglicherweise auf Veranlassung Schildwächters – mehrere unbelastete Bürger des Amtes Ennigloh: „Unser bisheriger Amtsbürgermeister Dr. Schildwächter besitzt nach wie vor unser ganzes Vertrauen, unsere Anerkennung und Hochachtung wegen seiner korrekten und tatkräftigen Amtsführung. Wir empfinden ihn durchaus nicht als durch die Partei 'belastet', im Gegenteil, er hat sich immer gewehrt und durchgesetzt. Es ist uns bekannt, dass er dadurch viele Schwierigkeiten mit den Parteidienststellen gehabt hat. Herr Dr. Schildwächter ist hier nie als aktiver Nationalsozialist hervorgetreten und hat die Interessen der ganzen Bevölkerung, ohne Ansehen der Person, immer vorbildlich wahrgenommen.“

Am 1. Mai 1946 trat Schildwächter eine Stelle bei der Oberfinanzdirektion Münster an. Er wurde im Jahre 1954 pensioniert und zog mit seiner Familie wieder zurück nach Vlotho. Das »Vlothoer Wochenblatt« schrieb dazu: Ein Vertriebener kehrt zurück.“ Nach kurzer, schwerer Krankheit starb Dr. Paul Schildwächter am 22. Oktober 1960. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung wurde er auf dem Vlothoer Friedhof beigesetzt.

Quellen/Literatur:

Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 276f.

http://www.geschichtevlotho.de/schildwaechter.htm

KAH, C, Nr. 969