Carl Levison: Zigarrenfabrikant

von Norbert Sahrhage


Carl Levison, ein erfolgreichen Unternehmer und Wohltäter. (Foto: Sammlung Sahrhage)
Carl Levison, ein erfolgreichen Unternehmer und Wohltäter. (Foto: Sammlung Sahrhage)

Als Carl Levison am 16. Mai 1862 in Bünde geboren wurde, war die jüdische Familie Levison bereits seit mehreren Generationen in der Stadt ansässig. Carl Levisons Vater, Moses Levison, war Kaufmann und besaß ein Haus in der Bahnhofstraße. Er gehörte von 1868 bis zu seinem Tod im Jahre 1896 der Bünder Stadtverordnetenversammlung an. Moses Levison war zudem Vorstandsmitglied der Synagogengemeinde. Carl Levison hatte sechs Geschwister, von denen drei im Kindesalter starben. Carl Levison führte zunächst das Geschäft seines Vaters weiter, im Jahre 1898 gründete er zusammen mit Carl Warmann die Zigarrenfabrik Warmann & Co. Mit der Produktion wurde zunächst im Privathaus Carl Warmanns in der Winkelstraße begonnen, in Folge des guten Geschäftsganges ließen die beiden Geschäftsinhaber im Jahre 1906 in der Bachstraße ein neues Fabrikgebäude errichten.

Anfang der 1890er Jahre hatte Carl Levison Auguste Roos aus Ahlen geheiratet. Der Ehe entstammten drei Kinder: Alfred (geb. 1895), Paul (geb. 1896) und Johanna (geb. 1900). Für seine Familie ließ Carl Levison ein Haus im Stil der Gründerzeit an der Hindenburgstraße (Villa Levison) bauen. Die Familie Levison war fest in die bürgerlichen Kreise Bündes eingebunden. Carl Levison gehörte mehreren Vereinen an und war im Jahre 1891 Schützenkönig, seine Frau Auguste bildete im Jahre 1903 zusammen mit Hermann Arnolds das Königspaar.

Anfang des 20. Jahrhunderts zählte Carl Levison zu den wohlhabendsten Bürgern der Stadt. Er war Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse und als Schöffe beim Amtsgericht tätig. Mehrfach spendete er für das im Aufbau befindliche Bünder Krankenhaus. Carl Levison war Mitglied im »Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens«, der sich für die gesellschaftliche Gleichstellung der Juden einsetzte und versuchte, Judentum und Deutschtum miteinander zu verbinden.

Während der Zeit des Ersten Weltkrieges: Familie Levison mit Sohn Paul, der auf Heimaturlaub ist. Die Fahnen sind als Ausdruck der nationalen Gesinnung der Familie zu verstehen. (Foto: Sammlung Sahrhage)
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges: Familie Levison mit Sohn Paul, der auf Heimaturlaub ist. Die Fahnen sind als Ausdruck der nationalen Gesinnung der Familie zu verstehen. (Foto: Sammlung Sahrhage)

Nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 musste sich Carl Levison bald aus dem gemeinsamen Unternehmen mit Carl Warmann zurückziehen, blieb mit der Familie Warmann aber weiterhin freundschaftlich verbunden. Während der Reichspogromnacht 1938 verschafften sich Nationalsozialisten aus Bünde gewaltsam Zutritt zur Villa Levison und verwüsteten das Haus, das danach als Judenhaus diente, d.h. als Aufenthaltsort mehrerer jüdischer Familien bis zu ihrer Deportation. Während der Sohn Dr. Paul Levison, der in Hamburg als Kinderarzt arbeitete, dem Holocaust durch Auswanderung in die USA entkommen konnte, wurden Carl Levison, seine Frau Auguste und der ältere Sohn Alfred am 31. Juli 1942 von Bünde aus in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo alle drei infolge der unmenschlichen Aufenthaltsbedingungen und der schlechten Ernährungslage starben.

Carl Levison starb am 21. März 1944, Auguste Levison am 21. April 1944 und Sohn Alfred am 27. Februar 1945. Auch Tochter Johanna, die den Herforder Kaufmann Albert Schiff geheiratet hatte, wurde – gemeinsam mit ihrem Ehemann – zunächst nach Warschau, dann in das Arbeitslager Poniatowa deportiert, wo beide ermordet wurden. Wie Dr. Paul Levison überlebte auch Thekla Schiff, das Enkelkind Carl und Auguste Levisons, den Holocaust, weil sie bereits im Jahre 1939 zu einer Pflegefamilie nach Schweden gegeben worden war. In Erinnerung an die Familie Levison erhielt die in den 1970er Jahren erbaute neue Stadtentlastungsstraße, die die Holser Straße mit der Wittekindstraße verbindet, den Namen „Levisonstraße“.

Quellen/Literatur:

Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 304f.