Karl Thiele: Innovativer Unternehmer

von Norbert Sahrhage


Karl Thiele, Mitinhaber der größten Zigarillofabrik Bündes. (Museum Bünde)
Karl Thiele, Mitinhaber der größten Zigarillofabrik Bündes. (Museum Bünde)

Der Kaufmann Karl Anton Thiele, am 23.3.1851 in Osnabrück als Sohn eines Buchhändlers geboren, wurde im Jahre 1878 Geschäftspartner des Zigarrenfabrikanten Theodor Heinecke. Die Firma Heinecke & Cie. fertigte in Kirchlengern Zigarillos.

 

Karl Thiele war verheiratet mit Clementine Heilmann (*1860); der Ehe entstammten vier Kinder: Ludwig (*1885), Hermann (*1886), Friedrich (*1890) und Clementine (*1888), die später Wilhelm van Suntum heiratete, der nach 1950 mehrere Jahre lang dem Verband der Zigarrenfabrikanten Nordwestdeutschlands vorstand. Der älteste Sohn Ludwig Thiele eröffnete nach dem Medizinstudium eine Arztpraxis in Ennigloh; Hermann und Friedrich Thiele sowie Schwiegersohn Wilhelm van Suntum traten später in das väterliche Unternehmen ein.

Da nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 das Rauchen von Zigaretten in Mode gekommen war, entwickelten Theodor Heinecke und Karl Thiele Zigarillos, die einer Zigarette ähnlich sahen, ähnlich schnell konsumierbar waren, aber eher wie Zigarren schmeckten. Die ersten Zigarillos firmierten unter dem Namen „Referendarios“, da sie anfangs vielfach von den Referendaren an den Gerichten und Behörden geraucht wurden. Im Jahre 1894 gründete Karl Thiele zusammen mit Franz Kessing die Zigarillo-Fabrik Kessing & Thiele, die in der Nähe des Bünder Bahnhofs mit der Produktion begann, später dann in die Philippstraße umzog.

Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich das Unternehmen gut. Im Jahre 1914 wurden etwa 500 Arbeiter beschäftigt. Nach dem Krieg stieg der Absatz des Unternehmens infolge veränderter Rauchgewohnheiten stark an. Besonders die eingewickelte »Havanesa« wurde im In- und Ausland stark nachgefragt. Anfang der 1930er Jahre galt die Firma Kessing & Thiele als der größte Betrieb der Bünder Tabakbranche und als die größte Zigarillo-Spezialfabrik in Deutschland. Zeitweise beschäftigte die Firma etwa 3.000 Arbeiter und Angestellte, die in dem Betriebsgebäude in der Philippstraße, wo sich auch die Zentralversandstelle des Unternehmens befand, oder in den etwa 30 Filialen in der Umgebung Bündes tätig waren. Die im Jahre 1931 eingeführte sehr erfolgreiche Zigarillo-Marke »Sportstudent« trug mit zum dauerhaften Erfolg des Unternehmens bei. Mit den Gewinnen der Firma erwarben Hermann und Friedrich Thiele und Wilhelm van Suntum u.a. im Jahre 1932 die Ferrum AG bzw. Herdfabrik Imperial GmbH (vormals: Bünder Eisenwerk bzw. Industriewerke Vogel & Schäfer). Im Jahre 1949 wurde dem Unternehmen eine Eisengießerei, die Karlshütte, in Ahle angegliedert. Karl Thiele ist – im Unterschied zu vielen anderen Fabrikanten aus der Tabakbranche – politisch nicht in Erscheinung getreten; er war nie Mitglied der Stadtverordnetenversammlung oder des Bünder Magistrats.

Karl Thiele starb am 22.1.1927 in Bünde. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Unternehmen bereits von seinen Söhnen Hermann und Friedrich Thiele und Schwiegersohn Wilhelm van Suntum geleitet. In der Nachkriegszeit ging der Zigarillo-Absatz zurück, da sich die Zigarette als Genussmittel immer stärker durchsetzte. Im Jahr 1974 wurde das Betriebsgebäude in der Philippstraße abgerissen, um Platz für die Erweiterung des Gymnasiums am Markt zu schaffen. Das Unternehmen übernahm gleichzeitig das Gebäude der ehemaligen Rauchtabakfabrik Otto Beckmann & Co. in der Borriesstraße.

Die Karlshütte in Ahle befindet sich auch heute noch im Besitz der Familie Thiele. (Stadtarchiv Bünde)
Die Karlshütte in Ahle befindet sich auch heute noch im Besitz der Familie Thiele. (Stadtarchiv Bünde)

Die Firma Kessing & Thiele stellte bis zum Jahre 1991 Zigarillos her, zuletzt nur noch in kleinen Mengen. Während die Geschäftsanteile der Kessing-Thiele KG an den Imperial-Werken im Jahre 1989 von dem Gütersloher Familienunternehmen Miele & Cie. KG erworben wurden, befindet sich die Karlshütte, die Gusseisen produziert, auch heute noch im Besitz der Familie Thiele. Das Unternehmen beschäftigte im Jahre 2018 etwa 65 Arbeiter und Angestellte.

Quellen/Literatur:

Carsten Seichter, Kessing & Thiele, in: Martin Fiedler, Monika Dickhaus u. Norbert Sahrhage Hg., Spuren der Zigarre. Bünde – ein Rundgang durch die „Zigarrenkiste Deutschlands“, Essen 2000, S. 54-56. Norbert Sahrhage, Bünde. Stadt und Amt von 1719 bis 1990, Bielefeld 2019, S. 104.