Josef Lemke: KPD-Politiker in Obernbeck und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus

von Mathis Nolte


Josef Lemke
Josef Lemke

Josef Lemke wurde am 2. Mai 1897 in Rosenberg (poln. Różyny) geboren, welches damals zur Provinz Westpreußen gehörte und heute Teil der polnischen Landgemeinde (Gmina) Pszczółki ist. Seine Kindheit verbringt er gemeinsam mit seinen Eltern und fünf Geschwistern im nahgelegenen Gutsbezirk Senslau (poln. Żelisławki). Josefs älterer Bruder Friedrich war auf dem Gutshof als Melker tätig. Albert Lemke, ein weiterer Bruder, arbeitete als Maschinist. Josef Lemke selbst fand als junger Mann zunächst im Hafen der nah gelegenen Stadt Danzig (poln. Gdańsk) Arbeit. Durch den Eintritt in die Transportarbeitergewerkschaft kam er hier wahrscheinlich auch erstmals mit sozialistischen Ideen in Berührung.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges diente Lemke als Freiwilliger auf der „SMS König Albert“ im III. Geschwader der Hochseeflotte der kaiserlichen Marine. Im Verlauf des Krieges kamen ihm jedoch zunehmend Zweifel an dessen Sinn. Beeinflusst durch den Kieler Matrosenaufstand und die in Folge ausbrechende Novemberrevolution, beschloss Lemke, sich fortan für die Gründung einer sozialistischen Räterepublik einzusetzen. Als die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD) im März 1921 in Sachsen-Anhalt zum Generalstreik aufrief, beteiligte er sich an der Besetzung der südlich von Halle an der Saale gelegenen Leunawerke. Kurzzeitig gehörte Lemke auch zu einer bewaffneten sozialistischen Kampfgruppe um Max Hoelz – einem zur Kommunistischen Arbeiter Partei Deutschlands (KAPD) zählenden Arbeiterführer. Nach Niederschlagung der Revolte und der folgenden Beendigung des Generalstreiks zum 1. April drohten ihm mehrere Jahre Festungshaft, denen er sich durch Flucht entzog.

Auf der Suche nach einem sicheren Versteck verschlug es Josef Lemke schließlich nach Obernbeck, wo er unter dem Decknamen Fritz Hausmann bei Familie Heemeyer an der Ulenburger Allee unterkam. Dank einer Generalamnestie konnte Lemke zum Jahresende 1923 wieder unter seinem eigenen Namen auftreten. Dies ermöglichte es ihm unter anderem, am 21. Dezember 1923, Marie Heemeyer zu heiraten, die Tochter seiner Vermieter. Das Paar hat zwei Kinder. Den bereits 1920 geborenen Helmut – der von Marie aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe gebracht wurde – und den 1924 geborenen gemeinsamen Sohn Hans.

 

Den Lebensunterhalt ihrer Familie finanzierten Josef und Marie Lemke gemeinsam. Sie mit Zigarrendrehen in Heimarbeit, er mit wechselnden Tätigkeiten als Landarbeiter auf umliegenden Höfen oder als Hilfsarbeiter im Bielefelder Baugewerbe. Darüber hinaus waren beide auch politisch aktiv. Josef Lemke gehörte im Mai 1924 zu den Gründungsmitgliedern der kommunistischen Partei (KPD) in Obernbeck und als Führungsfigur des im selben Jahr gegründeten Ortsgruppe des Rotfrontkämpferbundes (RFB) bald auch zu den bekanntesten und einflussreichsten Parteigenossen im Doppelamt Gohfeld-Mennighüffen. 1929 wurde er als einer von zwei KPD-Vertretern in den Obernbecker Gemeinderat gewählt, wo er sich im Schulvorstand und im Wohlfahrtsausschuss engagierte.

Seine Funktion als Partei-Instrukteur für den Landkreis Herford im KPD-Unterbezirk Bielefeld führten Lemke regelmäßig über die Grenzen von Obernbeck hinaus. Als gefragter Redner bei kommunistischen Kundgebungen, Wahlveranstaltungen und Umzügen setzte sich er in den frühen 1930er Jahren wiederholt über Versammlungs- und Redeverbote lokaler Behörden hinweg. Im Juli 1931 wurde er daher von einem Schöffengericht in Minden zu einer drei monatigen Haftstrafe verurteilt. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich weiter politisch zu betätigen. Mehrfach rieft Lemke seine Mitbürger und Mitbürgerinnen zum Widerstand gegen die erstarkenden Nationalsozialisten auf. Auch nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 brachte die Obernbecker KPD heimlich weiter kommunistische Flugblätter sowie eine anonym herausgegebene Zeitung mit Titel „Die Wahrheit“ unter das Volk. Zur Aufklärung der Urheberschaft dieser Texte und Unterbindung ihrer Verbreitung ließen Landrat Erich Hartmann und Amtsbürgermeister Erich Pötting am 28.06.1933 schließlich eine Razzia durchführen, in deren Folge 24 KPD-Mitglieder verhaftet wurden. Zu den 21 Festgenommenen aus dem Doppelamt Gohfeld-Mennighüffen gehörte auch Marie Lemke, die im Mai 1934 vom Oberlandesgericht in Hamm wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer Haftstrafe von 13 Monaten verurteilt wurde.

Josef Lemke gelang es hingegen zunächst zu fliehen. Im Oktober 1933 wurde er jedoch schließlich in Detmold aufgegriffen und im September 1934 vom Oberlandesgericht Hamm zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in den Strafanstalten Detmold, Bielefeld, Münster, Neusustrum und Aschendorf absaß. Damit war Lemkes Gefangenschaft jedoch keineswegs beendet. Statt freigelassen zu werden, wurde er im Oktober 1935, auf Befehl der Staatspolizeistelle Bielefeld, in Schutzhaft genommen und in das Konzentrationslager (KZ) Esterwegen im Emsland überführt. Als Esterwegen 1936 in ein Strafgefangenenlagerumgewandelt werden sollte, verlegte man Josef Lemke ins KZ Sachsenhausen, wo er schließlich am 20.05.1938 entlassen wurde. Die Schikanen und Demütigungen durch das NS-Regime setzten sich jedoch weiter fort. In Folge seiner Haftstrafen wurden Lemke die sogenannten „bürgerlichen Ehrenrechte“ (u.a. aktives u. passives Wahlrecht) aberkannt und die Pflicht auferlegt, sich jeden zweiten Werktag bei den lokalen Polizeibehörden zu melden. Anfang Januar 1944 wurde er zudem zwangsrekrutiert und zum Dienst in der berüchtigten Strafdivision 999 der Wehrmacht einberufen. Offiziell als Bewährungseinheiten bezeichnet, sollten die Verbände der Strafdivision 999 den steigenden Bedarf der Wehrmacht an neuem „Menschenmaterial“ befriedigen, wobei hohe Verluste durch mangelnde Ausrüstung und riskante Einsatzplanung billigend in Kauf genommen wurden. Josef Lemke überlebte jedoch und wurde kurz vor Kriegsende am 27. März 1945 aus dem Dienst der Wehrmacht entlassen.

Bereits im Jahr 1945 erfolgte die Neugründung der Löhner KDP. Josef Lemke wurde im Februar 1946 von der britischen Militärregierung in die Amtsvertretung Löhne berufen und von den Amtsvertretern zum Stellvertreter von Amtsbürgermeister August Griese (SPD) ernannt. Er gehörte außerdem auch zu den Mitgliedern des vom Rechtsanwalt Ernst-Adolf Lehmann geleiteten Denazifizierungsausschusses des Amtes Löhne und des gemeinsamen Kreissonderhilfsausschuss der Stadt und des Landkreises Herford zur Unterstützung und Entschädigung von Verfolgten des NS-Regimes. Nach den Wahlen vom 15. September 1946 zog Lemke als einer von zwei KPD-Politikern in den Herforder Kreistag ein, dem er bis November 1952 angehörte. Von 1948 bis 1952 war er zugleich Mitglied des Gemeinderats in Obernbeck und ab November 1949 Vorsitzender des lokalen Kreisvorstandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).

 

Im Verlauf des Jahres 1952 zog sich Lemke schließlich Schritt für Schritt von seinen Ämtern zurück. Dies lag zum einen in den schlechten Wahlergebnissen der KPD begründet, die beispielsweise bei den Kreistagswahlen am 9.11.1952 nur noch 2,9% der Stimmen erhielte und somit nicht mehr im Kreistag vertreten war. Zum anderen aber auch in Lemkes Gesundheitszustand, der sich nicht zuletzt in Folge seiner zahlreichen Haftaufenthalte zunehmend verschlechterte. Am 17.4.1953 starb Josef Lemke im Alter von 56 Jahren.

 

Quellen/Literatur:

Stadtarchiv Löhne:
- SAL B 473x, Polizei-Gefangenenliste 1930-1943 des Amtes Gohfeld Mennighüffen.

- SAL B 700x, Amtsvertretung, Laufzeit: 1945-1946.
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SAL B 48a, Konferenzen der Bürgermeister im Landkreis Herford, Laufzeit: 1930-1947. Siehe hier insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 12.05.1933.
- SAL P 7.01-4, Protokollbuch des Gemeinderats der Gemeinde Obernbeck, Laufzeit: 12.07.1929 bis 19.09.1949.
- SAL S-P 1, Sammlung Helmut Link.
- SAL R 1.3.3 -82, Standesamt Gohfeld, Sterberegister Nr. 73 /1953.