Heinrich Klaustermeyer: Warschauer Gettomörder

von Norbert Sahrhage


Heinrich Klaustermeyer, Angeklagter im Warschauer Gettoprozess. (Landesarchiv Detmold)
Heinrich Klaustermeyer, Angeklagter im Warschauer Gettoprozess. (Landesarchiv Detmold)

Nicht alle Personen, die im Rahmen der Herforder Biografien vorgestellt werden, haben Gutes für ihre Heimatstadt geleistet. Eine dieser Ausnahmen ist der am 22. Februar 1914 in Bünde geborene Heinrich Klaustermeyer, der während des Zweiten Weltkrieges eine traurige Berühmtheit als Mörder von Insassen des Warschauer Gettos erlangte. Malermeister Ernst Klaustermeyer, der Vater Heinrich Klaustermeyers, bewohnte mit seiner Familie ein Haus in der Winkelstraße. Heinrich Klaustermeyer besuchte von 1920 bis 1928 die Bünder Bürgerschule, danach absolvierte er eine Lehre als Kraftfahrzeugschlosser. Während der Weltwirtschaftskrise wurde Klaustermeyer im Jahre 1931 arbeitslos und trat – im Alter von 18 Jahren – in die NSDAP und SA ein.

Nach der „Machtergreifung“ erhielt SA-Mann Klaustermeyer eine Stelle als Bote bei der Stadtverwaltung Bünde. Nachdem im Jahre 1935 die allgemeine Wehrpflicht wiedereingeführt worden war, verpflichtete sich Klaustermeyer für zwölf Jahre bei der Wehrmacht, wurde aber bereits im Herbst 1937 wegen eines Magenleidens als dienstuntauglich entlassen. 1938 wurde er von der Stadt Bünde erneut, diese Mal als Hausmeister, eingestellt. In dieser Zeit nahm Klaustermeyer in Bünde aktiv an Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte, u.a. gegen das Geschäft Spanier, teil.

Heinrich Klaustermeyer (5. v. links, mit erhobenem Gewehr) zusammen mit SS-General Jürgen Stroop während des Warschauer Gettoaufstandes) (Foto: Stroop-Bericht, Luchterhand-Verlag)
Heinrich Klaustermeyer (5. v. links, mit erhobenem Gewehr) zusammen mit SS-General Jürgen Stroop während des Warschauer Gettoaufstandes) (Foto: Stroop-Bericht, Luchterhand-Verlag)

Im Jahre 1939 bewarb sich Klaustermeyer erfolgreich bei der Geheimen Staatspolizei in Bielefeld, wo er im Angestelltenverhältnis eingestellt und vornehmlich im Innendienst eingesetzt wurde. Im November 1940 wurde er zur Sicherheitspolizei und des SD in den Distrikt Warschau versetzt, wo er ab Herbst 1941 zum Außendienst eingeteilt und u.a. bei der Überwachung der Juden im Getto eingesetzt wurde. Nach kurzer Zeit war Klaustermeyer im Getto für sein brutales und rücksichtsloses Verhalten gegenüber Juden bekannt, die er z.T. willkürlich und wahllos erschoss. So sagte ein Zeuge u.a. aus: „Ich stand nur einige Meter entfernt und musste zusehen, wie Klaustermeyer meine Mutter, Frau und mein (drei Monate altes) Kind … erschoss.“

Bei Kriegsende befand sich Klaustermeyer wieder in Bielefeld, wo er wegen seiner Zugehörigkeit zur Gestapo verhaftet und bis zum Ende des Jahres 1947 in verschiedenen Lagern interniert wurde. Heinrich Klaustermeyer zog nach der Internierungshaft nach Bielefeld-Gadderbaum, heiratete und arbeitete als Kraftfahrer. Im Februar 1961 wurde Klaustermeyer von der Bielefelder Kripo auf Ersuchen der Hamburger Staatsanwaltschaft zu einer Vernehmung im Rahmen eines in Hamburg anhängigen Ermittlungsverfahrens gegen den ehemaligen Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Ludwig Hahn, vorgeladen. Da Klaustermeyer während der Vernehmung einräumen musste, bei der Gestapo Warschau von 1941 bis 1944 Angehöriger des Judenreferats gewesen zu sein, wurde er nach der Vernehmung verhaftet, zumal er zuvor von zahlreichen Zeugen stark belastet worden war. Am 20. Februar1961 erging von Hamburg aus ein Haftbefehl gegen Klaustermeyer, der kurze Zeit darauf als Untersuchungshäftling in eine Hamburger Haftanstalt verlegt wurde.

Anfang des Jahres 1963 wurde das Ermittlungsverfahren gegen Klaustermeyer von dem in Hamburg anhängigen Verfahren gegen Dr. Ludwig Hahn abgetrennt und von der Bielefelder Staatsanwaltschaft übernommen. Klaustermeyer wurde daraufhin wieder in das Bielefelder Gefängnis zurückverlegt. Der Prozess gegen Klaustermeyer vor dem Bielefelder Landgericht begann am 23. November 1964; das Verfahren wurde an 23 Verhandlungstagen abgewickelt. Mehr als 80 Zeugen aus dem In- und Ausland wurden gehört. Das öffentliche Interesse an dem Prozess war sehr groß. Nahezu alle größeren deutschen Zeitungen, u.a. auch DER SPIEGEL, berichteten über den Prozess. Obgleich die Beweislage klar war, leugnete Klaustermeyer seine Taten bis zum Schluss. Das Urteil wurde am 4. Februar 1965 verkündet. Heinrich Klaustermeyer wurde des Mordes in neun Fällen für schuldig befunden und für jeden Fall zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm auf Lebenszeit aberkannt.

Am 8. April 1976, elf Jahre später, wurde Klaustermeyer aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung begnadigt. Er starb am 21. April 1976, wenige Tage nach seiner Entlassung.

Quellen/Literatur:

Harald Darnauer, „Der schaurigste Prozess, der je in Bielefeld verhandelt wurde …“ Der Strafprozess gegen den Bünder SS-Mann Heinrich Klaustermeyer vor dem Landgericht Bielefeld 1964/65, in: HJB 16, 2009, S. 221-251.